Auch die vergangene Nacht haben wir unter unglaublich hellem Vollmond auf Matratzen in der Wüste verbracht. Dem Hinweis, nicht hinter der Düne zu pennen, sind wir dann doch gefolgt, als man uns klargemacht hat, daß Jeeps gerne über diese hämmern. Man will die Reise ja nicht vorzeitig beenden, wenngleich das Ende absehbar ist.

Nach dem Frühstück (guess what!) satteln wir die Dromedare und schaukeln gen Horizont. Das Spiel “in which direction is Rum Village?” verliere ich ein ums andere mal (Ju schneidet besser ab). Wir machen erneut Halt an Naturwundern in dieser an optischen Reizen so armen (reichen?) Gegend. An einem davon seien ab und an Böcke zu sehen. Heute jedoch nicht. Dafür schauen wir uns den Friedhof im Nirgendwo an.
Gegen Mittag pausieren wir das letzte mal nach bewährtem Muster. Die Reittiere anleinen, Feuerholz suchen, Tee kochen, Hummusdosen öffnen und mampfen. Der charismatische Attayak höchstselbst erweist uns die Ehre. Vermutlich aber nur, um Kasse zu machen. Der Dromedartrip kostet uns knapp 400 JOD inkl. noch zu verhandelnder Transfers. Ihn begleitet eine Holländerin, mit der wir während der Siesta der Einheimischen noch eine kurze Canyonbesichtigung einschieben.

Nach unserer Rückkehr steigen wir letztmalig auf die Dromedare und reiten gen Rum Village. Als wir in den Mobilfunkfangstrahl geraten, rufe ich meinen Bruder an, der heute seinen 29. Geburtstag feiert. Er errät zwar, daß wir auf “Kamelen” schaukeln, versteht mich ob der miesen Verbindung jedoch kaum. Gute 90 Minuten später steigen wir das letzte Mal von den Dromedaren und verabschieden uns von unserem Führer.

Nach Aqaba reisen wir mit dem Taxi und wieder mal erweist es sich als höchst sinnvoll, zuvor die Verhandlung zu führen. Mit Attayak war abgemacht, daß der Transfer von Rum nach Aqaba eingepreist war. Plötzlich nicht mehr. Ein Telefonat später sind wir einig und gondeln gen Süden. Die Fahrt verläuft äußerst kurzweilig, wir bekommen Kippen und Tee angeboten. Letzeres lehnen wir nach literweiße süßen Tee in den letzten Tagen ab. Er verrät uns, daß er etwa 30 Tassen täglich kippt. Kein Wunder, daß die Guten wie Erdhörnchen umherspringen.
In Aqaba angekommen, lassen wir uns direkt ins Hotel fahren. Und wieder mal verspüren wir dieses Gefühl, wenn man als unabhängig Reisender in ein echtes Gruppen- und Tour-Hotel eincheckt (vgl. Frühstück im Hotel in Wadi Musa). Auf dem Zimmer gibt es Zivilisation pur. Dusche. Doppelbett (müssen wir erst zu einem solchen machen). Glotze.

Beim Abendspaziergang verspüren wir die Nähe zu Ägypten. Die Araber hier ticken anders als die Bedouinen.

Vom Mäuschen sind nur noch Fussspuren übrig. Ich werfe die Kamelhaardecke von mir runter und spüre die herrliche Kühle des Morgens. Ein 275°-Blick um unser Lager herum berauscht mich. Nur der Schatten der Sonne, der sich erstaunlich schnell unserem Nachtlager nähert, bewegt sich. So bleibe ich zunächst ein paar Minuten sitzen und geniesse die Stille, unterbrochen nur von sabbernden, rülpsenden und furzenden Dromedaren, die ganz in unserer Nähe geruht haben.

Nach dem obligatorischen “Hummus-mit-Tee”-Frühstück schwingen wir uns gegen acht Uhr in den Sattel und ziehen von dannen. Der Vormittag ist bestimmt von Nicht-Konversation, jeder ist mit seinen Gedanken allein. Mit dem heutigen Tag dürfen wir unsere Wüstenschiffe selbst lenken, was sehr intuitiv funktioniert. Rechts, links, bremsen. Jus Jungspund ist schwieriger zu lenken, meines beugt sich zu jedem zweiten Busch hinab. Erstaunlich, wie diese Viecher auch solche Kräuter genüsslich vertilgen, die Dornen haben, wie ich sie zuletzt auf dem Cover der “Passion of the Christ”-DVD gesehen habe. Mahlzeit.

So verbringen wir den Tag, wie es Mutter Erde vorgibt: reiten, bis es zu heiss ist. Feuer machen und Tee kochen. Schlafen, weil es des Mittags in der Sonne nicht auszuhalten ist. An einer von der Natur geformten Brücke treffen wir jede Menge deutsche und französische Touristen an, die mit dem Jeep durch die Wüste fahren. Ju erklärt unserem Guide, dass man Deutsche auch in einem Stummfilm erkennen kann.

Das Nachtlager erreichen wir heute etwas früher, so dass kein längeres Traben notwendig ist. Dort treffen wir Hong-Kong-Chinesen, Briten und Amerikaner, die Holländer von gestern sind auch wieder da. Alex, der seit August 2006 unterwegs ist, macht die lecker Fresschen zubereitenden Bedouinen an, sie möchten mit dem Fleischlöffel nicht das Gemüse berühren. Seine dürre Freundin könnte ja mit tierischen Fetten in Berührung kommen. Ich, der ich seit über sechs Jahren vegetarisch lebe, belächle die Situation. Auf Reisen muss man sich diesbezüglich ein wenig locker machen, sonst versaut man sich die meist viel zu kurze Zeit unterwegs unnötig.

Nach dem Essen rauchen wir ausgetrocknete Kippen und trinken fies gesüßten Tee, den wir zuhause vermutlich wegkippen würden.

Ab in die Wueste

25 October 2007

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So sitzen wir puenktlich um halb sieben vor dem Hotel und warten auf den Bus, der uns nach Wadi Rum bringt. Nachdem er mit leichter Verspaetung angekommen ist und uns geladen hat, sammeln wir weitere Reisende ein. Darunter ist ein Eidgenosse, dem wir sofort erzaehlen, dass wir grundsaetzlich als Schweizer getarnt unterwegs sind (dies haben wir vor zwei Jahren in Kambodscha begonnen, nachdem wir zum 1.000sten mal ein Gespraech aufgezwungen bekommen haben, nachdem wir uns als Deutsche geoutet hatten – die Schweiz kennt eben niemand). Mit einem venezolanischen Nicht-Paerchen verstehen wir uns auf Anhieb. William und Victoria aus Caracas haben aehnliche Plaene wie wir und wollen mit einem Kamel in die Wueste reiten sowie die Nacht dort verbringen.

Gegen acht, halb neun kommen wir am Besucherzentrum von Wadi Rum an, wo wir unser Eintrittsentgelt entrichten. Dort treffen wir auch Attayak, einen eloquenten Bedouinen und Touristenfuehrer, den wir wegen des Trips bereits von zu Hause aus per eMail kontaktiert haben (http://www.rumguides.com/). Eine gute Stunde spaeter haben William, Victoria, Ju und ich in Rum Village auf je einem Kamel (genauer: einem Dromedar) Platz genommen und schaukeln in die Wueste.

Zunaechst ist es schwer vorstellbar, das wir die drei Tage sitztechnisch durchstehen. Unsere Dromedare werden von einem Leittier je eines jungen Bedouinen gefuehrt. Victoria fuehlt sich sichtlich nicht wohl, William zueckt alsbald seine Videokamera. Jus Dromedar ist das juengste, wenig gefraessig, aber faul und stoerrisch. So reiten wir zunaechst zu Lawrence Spring, einem Brunnen in der Wueste, noch relativ dicht am Dorf Rum gelegen. Nach einer Kletter- und Teepause (zahllose weitere der letzteren sollen folgen) ziehen wir weiter. Die Sonne knallt erbarmungslos, Schatten ist rar. Dennoch ist die Hitze angenehm, da trocken und somit nicht drueckend. An einer grossen Sandduene, die ich erklimme und hinabrolle, machen wir erneut Pause. Vic und Bill werden von Attayaks Cousin Attayak mit einem Jeep abgeholt, fuer die beiden endet die Dromedarerfahrung bereits hier.

Wir treffen die beiden im Schatten eines grossen Felsen wieder, wo unser Fuehrer und Attayak Mittagessen und Tee bereiten. Letzterer ist extrem gesuesster schwarzer Tee, der rund um die Uhr in rauhen Mengen genossen wird. Wir schlafen zwei Stunden, soweit es die penetranten Fliegen zulassen, die uns umkreisen und fressen wollen. Die Dromedare parken ebenfalls im Schatten und fressen genuesslich umherstehende Straeucher.

Bevor wir gegen vier Uhr weiterziehen (Zeit spielt hier keine Rolle und wird nicht von der Uhr, sondern eher dem Sonnenstand bzw. der Temperatur bestimmt), verabschieden wir uns erneut von den beiden Venezolanern. Sie verbringen den Nachmittag in einem Jeep und werden wie wir abends in einem Lager abgeladen, wo weitere Reisende gemeinsam mit uns die Nacht verbringen werden. Unsere Dromedare tragen uns sicheren Trittes durch die Weite. In der Ferne immer wieder Jeeps, sonst herrscht Leere und Stille vor. Gegen Abend kommt Wind auf und da bald die Sonne untergeht, traben wir mit den Dromedaren gen Nachtlager. Diese Gangart gibt uns fuer den ersten Tag den Rest und wir sind froh, endlich im Lager angekommen zu sein. Dort treffen wir Franzosen, Belgier, Italiener und Hollaender, mit denen wir gemeinsam mit den Bedouinen unser Abendessen einnehmen. Bis auf ein Paerchen schlafen dann auch alle unter dem Sternenzelt.

Gegen Morgen weckt mich ein Maeuschen, das versucht, in meinen Rucksack zu gelangen und die dort befindlichen Lebensmittel zu vernaschen.

Petra reloaded

24 October 2007

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Nachdem wir am gestrigen Tag die Hauptroute gelaufen sind, fuehrt uns unser zweiter Tag durch den weniger oft gelaufenen Tunnel, der in den Wadi Muthlim muendet und den wir gegen viertel vor sieben betreten. Der Tunnel wurde noch zu Zeiten der Nabataeer in den Fels gehauen, um bei starkem Regenfall eine Ueberschwemmung von Petra zu verhindern. Zunaechst ist der Marsch durch den Wadi unspektakulaer. Bald jedoch beginnen die steil aufragenden Waende, enger zu werden. Wir laufen eine Stunde durch die kuehle des Morgens, ohne eine Menschenseele zu sehen.

Immer wieder muessen wir ueber Gestein und Geroell hinabkraxeln, um voran zu kommen. Kurz vor Ende des Wadi, die Schlucht ist sehr eng geworden, sitzt ein offenbar autistischer Junge (bzw. junger Mann) und kocht Tee, wie alle anderen Einheimischen auch. Seine Einladung, ihm Gesellschaft zu leisten und Tee zu trinken, lehnen wir dankend ab. Irgendwie ist uns die Situation nicht geheuer. Kurz darauf spuckt uns der Wadi aus. Auf dem Weg zu den koeniglichen Grabstaetten, denen wir uns heute von Norden her naehern, sehen wir mit ihren Eseln zur Arbeit reitende Bedouinen.

Gegen halb neun sind wir wieder an der Schatzkammer, um neun Uhr soll das fantastische Bauwerk am fotogensten sein. Nachdem mehr und mehr Sonne und weitere Touristen auf den Vorplatz stroemen, machen wir uns auf den Weg zum Jebel al-Madbah, dem “Altar”. Waehrend des Aufstiegs zum 1000 m hoch gelegnen Gipfel weichen wir immer wieder den anreitenden Touristen, die sich von Eseln nach oben tragen lassen. Auf der Spitze des Berges sind wannenfoermige Einkerbungen in den Fels gehauen, die vermutlich bei Tieropfern Verwendung fanden. Welche Art von Zeremonien hier einst stattfanden ist strittig (Beerdigungsriten vs. Opferdarbietung an Goetter). Nach der obligatorischen Teepause nehmen wir uns die Rueckseite des Berges fuer den Abstieg vor.

Einheimische Fremdenfuehrer treiben Touristengruppen aus Frankreich und Deutschland vor sich her. Der Abstieg ist bisweilen durchaus anspruchsvoll, so das wir uns ueber die Verantwortungslosigkeit wundern, hier Oma und Opa hinabzuschicken. Zumal die Sonne erbarmungslos brennt. Die letzten Tempel- und Grabanlagen lassen wir am Wegesrand liegen, uns zieht es nicht zuletzt ob der Hitze in den Schatten. Daher waehlen wir eine Abkuerzung ueber einen Bergruecken und folgen nicht dem Weg hinab ins Stadtzentrum von Petra. Links und rechts des Weges sitzen ab und an Bedouinenfrauen und bieten suessen Tee feil.

In der Naehe des roemischen Theaters lassen wir uns nieder und ordern Tee und eine Wasserpfeife. Die Szenerie beobachtend, lassen wir die Zeit verstreichen und unterhalten uns mit einem Araber, der eine Ungarin geheiratet hat & nun dort lebt sowie einem Japaner, der uns in perfektem Deutsch anspricht. Der Gute ist als Sohn eines Diplomaten in Berlin zur Schule gegangen und fragt uns ueber unsere Heimat aus. Er selbst ist mittlerweile nach Tokio zurueckgekehrt und reist zur Zeit mit einer Nichtregierungsorganisation durch die Welt. Eine sehr bereichernde Begegnung, von denen man sich mehr wuenscht.

Wir lassen den Tag erneut nach anstrengendem Marsch gen Stadtmitte von Wadi Musa ausklingen und werden freundlich von dem Kellner empfangen, der uns bereits gestern mit Leckereien versorgte. Zeitig treten wir unseren Matratzenhorchdienst an, da am naechsten Morgen gegen 6 Uhr 30 der Bus gen Wadi Rum vor dem Hotel warten soll.

Tut er dann auch. Fast.

Petra bei Tag

23 October 2007

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Der heutige Tag steht ganz im Zeichen der Erkundung der antiken Staette nahe Wadi Musa, subsummiert unter dem Namen Petra (griechisch: Fels). Die Staette gehoert zum Weltkulturerbe der UNESCO und wurde vor Christi Geburt von den Nabataeern erbaut und spaeter von den Roemern uebernommen. Petra war ein Handelsort auf der Weihrauchstrasse, in dem reger Handel getrieben wurde. Weil sich die Handelsrouten spaeter aenderten, geriet Petra in Vergessenheit. Ein Schweizer Eidgenosse entdeckte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Stadt wieder. Fuer den Tourismus erschlossen wurde sie allerdings erst weitere hundert Jahre spaeter.

Unser Plan sieht vor, die Anlage in gediegenem Tempo zu erlaufen, schliesslich haben wir hierfuer zwei volle Tage Zeit. So traben wir nach dem Fruehstueck (inkl. Identitaetspruefung durch einen arabischen Pinguin) los und sind gegen halb acht am Ticketschalter (26 Dinar pro Person, gut 26 EUR). Beim Marsch durch den noch angenehm kuehlen Siq bestaunen wir die Ingenieursleistungen vergangener Zeiten: die Nabataeer bewaesserten die Stadt durch eine Leitung, die durch die Schlucht fuehrte. Ueberreste hiervon sind noch heute zu erkennen. Nach dem obligatorischen Tourifoto an der Schatzkammer fluechten wir vor dem Andrang, vorerst stetig bergab.

Das roemische Theater passiert, erklimmen wir die als koenigliche Grabstaetten bezeichneten, ebenfalls in den Fels gehauenen Bauwerke. Dort noch im Schatten sitzend, erahnen wir erst die Weite der Anlage. Unser Ziel fuer den heutigen Tag ist das Kloster auf einem Berg oberhalb der eigentlichen Stadt – es ist von hier aus noch nicht zu sehen. Da die Temperatur steigt, brechen wir auf und lehnen unzaehlbare Angebote ab, auf einem Esel sitzend den Berg zu erklimmen. Wir amuesieren uns ueber den Anblick von Westlern auf Eseln, steile Treppen nehmend und dabei angestrengt an den Sattel geklammert.

Gegen high noon erreichen wir die Bergspitze und das Kloster Al-Deir. Von den Opferstaetten in der Naehe des Klosters hat man einen herrlichen Fernblick, der bis nach Israel bzw. in die palaestinensischen Autonomiegebiete reicht. Wir ruhen im Schatten und brechen gegen drei Uhr unseren Rueckweg an. Dieser fuehrt den gesamten Weg zurueck, zunaechst hinab ins ehemalige Stadtzentrum von Petra und von dort aus stetig bergan, durch den Siq, vorbei am Hotel, bis in die Stadtmitte von Wadi Musa, wo wir unser verdientes Abendessen einnehmen.

Fuer etwa zwoelf Dinar essen und trinken wir, bis die Schwarte kracht. Aus vegetarischer Perspektive bietet die Kueche des nahen Ostens zwar Optionen, ein laengerer Aufenthalt jedoch ergibt kulinarische Eintoenigkeit. Unter dem hellen fast-Vollmond laufen wir zurueck gen Schlafgemach.

Bereits um zehn Uhr schlafen wir den Schlaf der Gerechten.